Während auf der Tribüne knapp 7000 Besucher:innen den Freischütz verfolgen, herrscht auf der Hinterbühne eine entspannte, zugleich konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Bei den Teams von Kostüm, Maske und Bühne sitzt jeder Handgriff.
In der Pre-Show wird Agathes Grab mit einer Hacke ausgehoben. Auf der Hinterbühne sind durch eine Bodenluke nur die Füße des Stuntmans zu sehen, während er unablässig auf eine Holz-Styroporplatte einschlägt. Zwischendurch reicht ihm ein Bühnenmitarbeiter einen Schluck Wasser – es ist eine anstrengende, kräfteraubende Arbeit, die Hacke immer und immer wieder auf dieselbe Stelle niedersausen zu lassen. Wenige Minuten später wird durch dieselbe Luke die tote Agathe im Sarg mithilfe von Seilen hinabgelassen. Sie wird von einer Stuntfrau gedoubelt. Kurz hebt sie die Hände zum Schutz vor das Gesicht, als ihre Kollegen von oben die Seile auf den Sarg werfen. Auf der Unterbühne klettert sie aus dem Sarg und lächelt in die Kamera.
Dann ist mit dem Gewusel auf der Hinterbühne erst einmal Schluss, da so gut wie alle auf der Bühne sind. Laut ist es hier aber noch immer, denn über zahlreiche Boxen ist die Freischütz-Musik klar und deutlich zu hören: Schließlich müssen alle auf der Hinterbühne wissen, was auf der Bühne passiert. Zudem sind in jeder Ecke Bildschirme angebracht, damit alle dem Geschehen auf der Bühne und dem Dirigenten im Festspielhaus folgen können und keinen Einsatz verpassen.
Leuchtende Sternenkränze - ein!
Wenig später beginnen sich acht Stuntfrauen in „Glitzerbadeanzügen“ (hautfarbene Ganzkörperanzüge beklebt mit tausenden Glitzersteinchen) aufzuwärmen. Sie machen sich für die Traumsequenz in Ännchens Arie bereit. Kurz vor ihrem märchenhaften Auftritt schalten sie ihre leuchtenden Sternenkränze ein, die sie alle auf dem Kopf tragen, stellen sich in Zweierreihe im Wasser auf und warten auf das Kommando des Stunt-Supervisors: „Standby. Go!“ Die Stuntfrauen holen tief Luft und verschwinden im Becken. Alles, was das Publikum sieht, sind zauberhafte Mermaids, die elegant in der Lagune auftauchen. Sobald die Ännchen-Arie vorbei ist, verschwinden die Mermaids auf demselben Weg wieder Richtung Hinterbühne und eilen in ihre Garderobe, um in Windeseile in gruselige Wasserleichen verwandelt zu werden.
Das Stunt-Team von Wired Aerial Theatre ist an vielen Stellen im Einsatz: Zu Beginn der Oper als arme Dorfleute, dann als Mermaids, Wasserleichen, Brautjungfern und am Schluss wieder als Dorfleute. Für die Mitarbeiter:innen der Masken- und Kostümabteilung sind diese vielen Wechsel eine Herausforderung. Nicht zuletzt, weil der Großteil der Kostüme nach den Auftritten komplett durchnässt ist.
Feuer auf Knopfdruck
Während der Wolfsschluchtszene sind die Techniker:innen im Steuerstand, einem kleinen Raum genau unter dem verschneiten Freischützhügel, im Einsatz: die Schlange soll sich bewegen, das Feuer brennen und der Kirchturm einstürzen. Per Knopfdruck werden die einzelnen Elemente gestartet. Währenddessen machen sich Agathe und Ännchen für ihren nächsten Auftritt bereit: Um ungesehen von der Hinterbühne auf die Bühne zu gelangen tragen sie schwarze Kapuzenumhänge, die sie komplett verhüllen. Ein alter, einfacher Trick, der nach wie vor funktioniert, um nach der Wolfsschlucht wie aus dem Nichts auf Agathes Dach aufzutauchen. Im umgekehrten Fall bekommen Bühnentechniker:innen manchmal Kostüme, um unbemerkt auf die Bühne zu gelangen: Mit einem Zylinder und einem Wollmantel getarnt fällt der Techniker, der die Fackel von Kaspar entzündet, zwischen den Chorleuten gar nicht auf.
Requisitenhirsche aus Plüsch
Immer wieder nur kurz zu Gast auf der Hinterbühne ist Samiel, der Teufel. Standardprozedur bei ihm: Zunge rausstrecken, schwarzes Theaterblut draufträufeln. Ansonsten bekommt er mal einen Umhang angezogen, mal Teufelshörner auf den Kopf montiert und mal einen Brautjungfernkranz aufgesetzt. Nachdem Samiel seinen Satz „Ich wittere, das Finale steht bevor – mit unserem lang ersehnten Jägerchor“ gesprochen hat, kehrt er auf die Hinterbühne zurück und tanzt dort ausgelassen mit einer Stuntfrau zum flotten, eben erwähnten Jägerchor, den die Wiener Symphoniker jetzt spielen. Die Oper geht ihrem Ende entgegen – und die Stimmung im Backstagebereich ist sichtlich gut.
Auf der Bühne ist unterdessen wieder viel los: Der Bregenzer Festspielchor ist mit toten Requisitenhirschen aus Plüsch ausgestattet auf die Bühne marschiert, Stuntleute haben Fürst Ottokars Schlitten auf die Eisflächen geschoben und die Brautjungfern tanzen und kichern noch immer.
Vor der Schlussszene muss alles schnell gehen. Der triefnasse Samiel ist zuvor vor dem Kirchturm im Wasser verschwunden und taucht über einen unterirdischen Gang auf der Hinterbühne auf. Sofort ist er von fünf Personen umringt: Ein Stuntman kontrolliert seine Sicherung – sie muss später halten, wenn er wieder auf der Schlange steht. Drei Damen vom Garderobenteam helfen ihm in den voluminösen XXL-Eremitenmantel, während eine Tontechnikerin sein nasses Mikrofon mit Druckluft aus der Sprühdose trocknet, damit es beim nächsten Auftritt wieder einwandfrei funktioniert. Ein kurzer Test: „Samiel, hallo? Eins, zwei, drei, vier. Samiel, Samiel, hört ihr mich?“
Alles funktioniert, und die kleine Kolonne setzt sich über eine Holztreppe in Richtung Hügel in Bewegung. Jetzt fehlt nur noch die Eremitenmaske für den letzten großen Auftritt des Teufels. Dann ertönt das Kommando der Stage-Managerin: „Standby: Go!“
(ec/bk)
Hier bekommen Journalist:innen einen kurzen Einblick in das Geschehen auf der Hinterbühne.
Journalist:innen stellen wir dieses Footage-Material (gesamt rund zehn Minuten) zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an presse@bregenzerfestspiele.com.