Bregenz, 7.7.17. Heute geht crossculture in die nächste Runde. Nach der Verblecherbande besteigen nun Töneschmuggler die Bühne. Die jungen Musiker der Musikschule Bregenz machen mit instrumentalem Theater das Publikum zu Augenzeugen und Mitwissern.
Im Wochenpost-Interview verrät Komponist und Regisseur Thomas Desi, was ihn inspirierte, was geschmuggelt wird und wie man musikalische Gesetze bricht.
Was sind eigentlich Töneschmuggler?
Die Inspiration zu den Schmugglern kommt aus Carmen. Aufgebaut habe ich auf der Theorie einer amerikanischen Musikwissenschaftlerin, die sich mit „Phantom Words“ beschäftigt. Wenn ein Wort geloopt wird, also sehr schnell hintereinander abgespielt, dann beginnt man demnach andere Worte zu hören. Es gibt im Stück auch Passagen mit dem Titel „Phantom Words“, wo wir mit dieser Grundlage gearbeitet haben. Dazu wurden Gespräche zu spezifischen Themen aufgezeichnet, die wir bei den Proben geführt haben. Sie werden als Soundinstallation in das Projekt quasi „hineingeschmuggelt“. So hat uns in Bezug auf die heutige Zeit das Problem der Migration und des Menschenschmuggels beschäftigt. Kernthemen waren außerdem Menschenliebe, Freiheit und Gesetz – Schlüsselthemen aus der Carmen-Arie Habanera. Es war sehr interessant mit den neun 14- bis 21-jährigen über diese Themen zu diskutieren.
Was können Sie zum Entstehungsprozess des Stücks sagen?
Die Zusammenarbeit wurde zu einem großen Projekt und nicht zu einer Art Klassenabend, das war mir wichtig. Das Ganze als quasi-theatralisch zu inszenieren, hat natürlich auch Konsequenzen für die Musik, wie beispielsweise dass die Mitwirkenden auswendig spielen und gewisse Bewegungen integrieren. Es gibt für das Stück zwar Noten, aber die Musiker können dabei zum Beispiel selbst die Dauer und die Art des eigenen Spiels bestimmen. Ich wollte einen gewissen Grad an Eigenverantwortlichkeit von den Mitwirkenden. Sie haben auch keine Partitur erhalten, so waren sie gezwungen, aufeinander zu hören und als Gruppe beziehungsweise als Musikensemble zu agieren.
Wie lief die Zusammenarbeit mit den Musikschülern bei den Proben?
Auf jeden Fall gut. Ich bin allerdings der Meinung, dass so ein Projekt besondere Qualitäten erfordert. Normalerweise arbeite ich mit professionellen Musikschaffenden zusammen. Das Leben und der Alltag von Jugendlichen sehen völlig anders aus als der von erwachsenen Berufsmusikern. Ein Punkt ist also, dass man jugendpsychologisch hier viel besser geschult sein müsste. Der andere Punkt ist der, dass diese Generation eigentlich so gut wie überhaupt keine Vorbildung hat, was klassische Musik der Moderne betrifft. Sie agieren total im Mainstream-Bereich und der ist auch oft die Motivation, wieso sie überhaupt Musik machen. Ästhetisch war es ihnen völlig unklar, wieso sie Geräusche auf ihren Instrumenten erzeugen sollen anstatt ordentlich einen schönen Ton zu spielen. Gleichzeitig ist aber auch ein starkes Interesse an diesem Projekt entstanden – ein Aha-Erlebnis, dass die Welt größer ist als das, was die eigene Motivation betrifft. Wir reden über das Brechen von Gesetzen in Bezug auf das Schmuggeln und nun hab ich sie dazu gebracht, musikalische Gesetze zu brechen – manche werden vielleicht ein bisschen mutig.
Was wird in die Musik hinein- oder hinausgeschmuggelt und welche Schwierigkeiten gibt es beim Töne-Schmuggeln?
Schwierigkeiten gibt es wahrscheinlich immer. Aber die Idee, ein Schlüsselwort wirklich so lang zu wiederholen, dass der Rhythmus dann vom Ensemble übernommen worden kann, ist ja einfach auch etwas Spielerisches. Es handelt sich um ein Übergangsmoment zwischen dem, dass spielerisch Töne und Rhythmen entstehen und gleichzeitig natürlich das Wort immer eine Bedeutung trägt. Teilweise verliert es diese allerdings auch, wenn man es ganz oft wiederholt.
Außerdem spielen wir die Habanera als Herzstück und da hab ich durchaus auch Töne hineingeschmuggelt.
Welche zusätzliche Bedeutung entsteht dadurch, dass Elemente geschmuggelt werden?
Das Projekt als musikalisches Theater arbeitet zusätzlich mit Licht, mit Bewegung im Raum und Wörtern, es ist also eine komplexere Sache als ein Konzert. Es soll eine Stimmung entstehen von etwas, das man nicht ganz versteht. Bei diesem rätselhaften Moment stell ich mir einen Schmugglerpfad bei Nebel vor, wo man nicht genau weiß, wie viele waren das, wo waren die, was haben sie gesprochen... Dieses Geheimnisvolle, das hat mich interessiert.
(rp)