Bregenzer Festspiele
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Oper im Festspielhaus: Kämpfen für die Liebe

Bregenz, 1.7.22. Mit dem international aufstrebenden Regisseur Vasily Barkhatov sowie Dirigent Valentin Uryupin, der in Bregenz bereits Eugen Onegin musikalisch leitete, bringen zwei junge Künstler

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Bregenz, 1.7.22. Mit dem international aufstrebenden Regisseur Vasily Barkhatov sowie Dirigent Valentin Uryupin, der in Bregenz bereits Eugen Onegin musikalisch leitete, bringen zwei junge Künstler aus Moskau die mitreißende und zu Unrecht vergessene Oper Sibirien ins Festspielhaus. Zwischen der Oper von Umberto Giordano und dem neuen Spiel auf dem See, Giacomo Puccinis Madame Butterfly, gibt es übrigens mehrere Verbindungen.

Die auffälligste Gemeinsamkeit ist diese: Beide Opern führen Luigi Illica als Librettisten auf. Bei Puccini teilte er, wie zuvor schon für dessen La bohème und Tosca, die Textdichtung mit Giuseppe Giacosa. Madame Butterfly hätte im Dezember 1903 uraufgeführt werden sollen. Doch der 55 Jahre alte Komponist war wegen eines Autounfalls mit seiner sechsten Oper nicht rechtzeitig fertig geworden. Als Ersatz zog die Mailänder Scala kurzfristig die Uraufführung eines neuen Werks des um neun Jahre jüngeren Umberto Giordano im Spielplan nach vorn: Sibirien bzw. Siberia, wie es im Original heißt.

„Großartige Musik!“, fällt Olaf A. Schmitt, Dramaturg und Künstlerischer Berater der Bregenzer Festspiele, als Erstes auf die Frage ein, was Sibirien für ihn auszeichnet. Und Elisabeth Sobotka, Intendantin der Bregenzer Festspiele, lässt sich zur euphorischen Beschreibung „wundervoller italienischer Opernschinken“ hinreißen. Wenn das mal keine Vorgaben sind!

Ein realitätsnahes Stück
Die Musik – über jeden Zweifel erhaben, aber Sibirien als Thema …? Da denken wir hier in Mitteleuropa doch automatisch an Kälte, Unwirtlichkeit, Unterdrückung und nicht an eine Liebesgeschichte. Doch genau um solche Gegenpole ging es dem Librettisten Luigi Illica und Umberto Giordano als Komponisten: Als Vertreter des sogenannten Verismo Opernstoffe nicht mehr im, sagen wir: abgehobenen Adelsumfeld anzusiedeln, sondern auf nachvollziehbareren Ebenen der einfachen Leute. Schmitt: „Verismo war der Versuch, auf der Opernbühne so etwas wie Wahrheit zu erzählen in den Handlungsabläufen und dargestellten Gefühlen“ Oder anders gefragt: Könnte das Stück der Realität entnommen sein?

Mit Sicherheit 1903, als die Oper uraufgeführt wurde. In der Thematisierung gesellschaftlicher Grausamkeit findet man eine weitere Übereinstimmung zwischen den diesjährigen Opern auf der Seebühne und im Festspielhaus. Hier der grobe Handlungsstrang von Sibirien, der ungeheuerlich beginnt: Stephana gibt ihr abgesichertes Leben als Kurtisane im eleganten Stadtpalais in St. Petersburg auf, um ihrer großen Liebe Vassili ins sibirische Straflager zu folgen. Dort, in der Verbannung, wandelt sich Stephana zur unerschütterlichen Kämpferin, sie setzt sich gegen Ungerechtigkeiten und Verleumdung zur Wehr. In der ausweglosen Situation der Gefangenen keimt Hoffnung, als die für unmöglich gehaltene Flucht des Paares zu gelingen scheint. Doch dann fällt ein Schuss.

Eine etwas zu schöne Musik
Umberto Giordano, hochbetagt 1948 in Mailand gestorben, gilt als letzter Vertreter der klassischen italienischen Oper. Sein bekanntestes Werk André Chenier war 2011/12 als Spiel auf dem See zu erleben (auch hier ist das Libretto von Luigi Illica). Für Sibirien verwebt Giordano geschickt russische Klänge – von der Zarenhymne bis zum volkstümlichen Lied der Wolga-Schlepper – mit seinen effektvollen kompositorischen Einfällen und erzeugt emotionale Spannung, die Regisseur Vasily Barkhatov in der aktuellen Ausgabe der „Festspielzeit“ folgendermaßen beschreibt: „Wenn man sich dasselbe Libretto in einer Komposition von Leoš Janáček oder Dmitri Schostakowitsch vorstellt, wäre es eine harte, gewaltsame Oper. In der Handlung gibt es sämtliche Zutaten: Gefängnis, sibirisches Lager, Liebe, Betrug, Hass … Doch Giordanos etwas zu schöne Musik verwandelt sie wie in einen französischen Film aus den 1960er Jahren, wo selbst die schrecklichsten Taten und Verhältnisse gut aussehen.“

Ein exotischer Schauplatz mag vor rund 120 Jahren en vogue gewesen sein und faszinierende russische Klänge erzeugten das notwendige Lokalkolorit. Trotzdem blieb Sibirien für Giordano ein allgemein gültiges menschliches Drama: „Die Liebe und der Schmerz besitzen keine Nationalität.“

Aufführungen und Werkstattgespräch
Premiere von Sibirien ist am 21. Juli 2022, weitere Vorstellungen sind am 24. Juli und 1. August.

Am kommenden Montag, 4. Juli, findet um 20 Uhr im Festspielhaus in Kooperation mit dem ORF ein „Werkstattgespräch“ mit Regisseur Vasily Barkhatov, Dirigent Valentin Uryupin, Clarry Bartha (La fanciulla | Die alte Frau), Intendantin Elisabeth Sobotka und Dramaturg Olaf A. Schmitt zu Sibirien statt.

Die Bregenzer Festspiele 2022 finden von 20. Juli bis 21. August statt. Tickets und Infos unter www.bregenzerfestspiele.com Telefon 0043 5574 407 6.

(ami)

29.06.2022 Sibirien © Bregenzer Festspiele / Wolfgang Streiter

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