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Oper im Festspielhaus 2012

Am 18. Juli 2012 feiert Detlev Glanerts Oper Solaris, basierend auf dem berühmten, 1961 in Warschau veröffentlichten Zukunftsroman des polnischen Science-Fiction Autors Stanisław Lem, ihre

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Am 18. Juli 2012 feiert Detlev Glanerts Oper Solaris, basierend auf dem berühmten, 1961 in Warschau veröffentlichten Zukunftsroman des polnischen Science-Fiction Autors Stanisław Lem, ihre Uraufführung im Bregenzer Festspielhaus.

Was, wenn eine uns unbegreifliche Macht in der Lage wäre, all unsere verdrängten Gefühle und Gedanken zu materialisieren? Wenn es ihr gelänge, nur aus unseren Erinnerungen uns nahestehende Menschen wiederauferstehen zu lassen – Wesen, die uns mit unserer Vergangenheit konfrontieren und dennoch für immer un(be)greifbar bleiben? Was würde aus uns werden?

Genau darum dreht sich Solaris, der berühmte, 1961 veröffentlichte Zukunftsroman des polnischen Science-Fiction Autors Stanisław Lem. Es ist die Geschichte des Psychologen Kelvin, der auf eine Raumstation entsandt wird, die den fernen Planeten Solaris umkreist, und auf der seltsame Dinge geschehen. Gleich zu Beginn seines Aufenthalts wird Kelvin vor merkwürdigen Erscheinungen gewarnt, die die Bewohner der Station regelmäßig heimsuchen. Keinem der Männer scheint es zu gelingen, sich dieser merkwürdigen "Gäste" wieder zu entledigen. Und auch Kelvins ganz persönliches Phantasma lässt nicht lange auf sich warten: Seine Frau Harey, die mit nur 19 Jahren Selbstmord beging, leistet ihm auf einmal wieder Gesellschaft.

Der gigantische Ozean ist es, der all diese seltsamen Wesen so gnadenlos materialisiert und damit die Schuldgefühle der Forscher mit gleichmütiger Unnachgiebigkeit wieder in deren Leben projiziert. Geplagt von schuldvollen Erinnerungen erliegt der rationale Wissenschaftler Kelvin im Lauf der Handlung mehr und mehr irrationalen Gefühlen. Am Ende ist er es, der von den allnächtlichen Besuchen jener Wesen, die der Planet aus den Erinnerungen eines jeden an Bord formt, am tiefsten getroffen wird.

Form gewordene Verantwortung
"Science-Fiction" ist in Lems Roman Solaris kein Selbstzweck, sondern dient als technischer Kunstgriff für die Konstruktion einer Metapher rund um das moralische Problem von persönlicher Schuld, unserer Erinnerung daran und unseren Umgangs mit diesen Gefühlen.

Angesichts einer unmittelbaren, körperlichen Konfrontation mit der eigenen, Form gewordenen Erinnerung zeigt Lem mögliche Reaktionen: die Unterdrückung mit technischen Hilfsmitteln, die Resignation und die Annahme der Verantwortung. Solaris führt aber auch vor Augen, dass der menschliche Verstand außerstande ist, letzte Erkenntnis zu erlangen; sich bestenfalls selbst verstehen kann, doch nichts außerhalb seiner selbst.

Zwei Verfilmungen, drei Interpretationen
Schon zweimal ist Lems Roman bereits verfilmt worden: 1972 vom russischen Filmemacher Andrei Tarkowski und 2002 vom amerikanischen Regisseur Steven Soderbergh. Das Augenmerk des Originals und der beiden Kino-Adaptionen ist dabei jedoch sehr unterschiedlich: Für Stanisław Lem stand vor allem das Unvermögen der Wissenschaft im Umgang mit einer uns fremden Existenz, deren Lebensform unsere menschliche Vorstellungskraft übersteigt, im Mittelpunkt.

Tarkowskis Film beschäftigt sich weit mehr mit unserem ganz persönlichen Umgang mit Erinnerung und Schuld sowie mit dem Zusammenhang von Zivilisation, Natur und Transzendenz. Steven Soderberghs Film wiederum dreht sich vor allem um die Liebesgeschichte zwischen dem Wissenschaftler Kelvin und seiner verstorbenen Frau und um die Frage, wie viel man von seinen Nächsten und Liebsten wirklich wahrnimmt – ob nicht alles, was man als Leben, Liebe oder Beziehung definiert, nur auf den Bildern, Illusionen und Idealen basiert, die man sich selbst im Kopf geschaffen hat.

Klangmagier und meisterhafter Orchestrator
Der 1960 in Hamburg geborene Detlev Glanert gilt als Klangmagier und meisterhafter Orchestrator. Bewunderung genießen vor allem seine Orchesterwerke und Opern. Bereits im Alter von zwölf Jahren unternahm Glanert erste Kompositionsversuche, später studierte er unter anderem in Köln bei Hans Werner Henze. Glanerts Werke widerspiegeln seine Faszination für die romantische Tradition, betrachtet von einem modernen Standpunkt aus. Zu seinen Vorbildern zählen Gustav Mahler mit seiner emotional grundierten Weltschau und Maurice Ravel mit seinen artifiziell-sinnlichen Klanglandschaften.

Die musikalische Leitung von Solaris liegt beim deutschen Dirigenten Markus Stenz, für die Inszenierung zeichnen der in Antwerpen geborene Moshe Leiser und der Pariser Patrice Caurier verantwortlich. Die Bühne stammt vom ebenfalls in Frankreich geborenen Christian Fenouillat, die Kostüme vom Italiener Agostino Cavalca. Das Lichtdesign liegt in den Händen des Franzosen Christophe Forey, das Videodesign übernimmt der Deutsche Tommi Brem.

Inhalt Solaris (Reinhard Palm, Libretto)
Nach sechzehnmonatiger Reise durch den Weltraum trifft der Psychologe Kelvin auf dem Planeten Solaris ein, weil von den dort stationierten Forschern beunruhigende Nachrichten kommen. Man weiß zwar, dass Solaris – als Planet eines Doppelsterns mit einer unberechenbaren Umlaufbahn – keinen bekannten Gesetzen der Physik gehorcht, doch wird Kelvin bei seiner Ankunft vor allem mit seltsamen Erscheinungen bei den Forschern konfrontiert. Nach einigen Selbstmorden unter den Wissenschaftlern sind nur noch Snaut, ein verwahrloster Kauz und Kybernetiker, und Sartorius, ein undurchschaubarer, paranoider Analytiker, auf der Station.

Schon beim ersten Zusammentreffen wird Kelvin vor merkwürdigen Erscheinungen gewarnt und prompt mit ihnen konfrontiert. So lässt auch Kelvins „eigene“ Erscheinung nicht lange auf sich warten: seine Frau Harey, die mit neunzehn Jahren Selbstmord beging, leistet ihm plötzlich Gesellschaft und lässt seine schuldvolle Liebesbeziehung wieder aufleben. Offenbar gelingt es keinem der drei Männer, sich ihrer merkwürdigen „Gäste“ zu entledigen.

Der gigantische Ozean ist es, der die Wesen so gnadenlos materialisiert. Seine Erforschung hat bereits Generationen von Wissenschaftlern über die Grenzen der Vernunft getrieben indem er ihre psychischen Abkapselungen (Scham und Schande) mit gleichmütiger Unnachgiebigkeit in ihr Leben projiziert. Der Ozean, der sich jeglicher Erforschung widersetzt, wird zum eigentlichen Feind der Wissenschaftler, ein jeder bekämpft ihn auf seine Weise. Nach einem riskanten Versuch, bei dem die Grenzen zwischen Forscher und Objekt verschwimmen, am Ende seiner Kräfte angelangt, findet Kelvin einen Weg, sich den grausamen Wundern dieses maßlos unfassbaren Riesenmeers zu stellen.

(bk)

21.08.2011 Plakatmotiv Oper im Festspielhaus 2012 © Bregenzer Festspiele / die3.eu
23.02.2010 Detlev Glaner Der Deutsche Detlev Glanert komponiert die Oper im Festspielhaus 2012 Solaris.
© Iko Freese / DRAMA

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