Die Freude steht ihr ins Gesicht geschrieben. „Es ist ein großer Tag für mich. Nach einem Jahr administrativer Vorbereitungsarbeit beginnen endlich die Proben“, sagt Lilli Paasikivi, die im Herbst die Intendanz der Bregenzer Festspiele übernommen hat, zu Beginn der Vorstellungsrunde im Festspielhaus. Am gestrigen Dienstagvormittag traf das Team der Oper Œdipe zum ersten Mal in Bregenz zusammen.
„Froh, aber auch mit einer großen Portion Respekt blicke ich den kommenden Wochen entgegen“, sagt Andreas Kriegenburg. Er inszeniert die 1936 uraufgeführte monumentale Oper von George Enescu, die ihre Besonderheiten hat. „Jeder der vier Akte“, führt der Regisseur vor dem künstlerischen und technischen Team aus, „schildert Grausames.“ Unter anderem bringt Ödipus unwissend seinen Vater um, treibt seine Mutter in den Suizid und sticht sich aus Scham seine Augen aus – der rumänische Komponist hielt sich streng an die Tragödie von Sophokles. „Wir schauen uns das mit Distanz an“, erklärt Kriegenburg seine Herangehensweise und fügt hinzu: „Wir wollen den Stoff bewusst nicht in unsere Zeit bringen.“
Vielmehr wird dem Publikum mit einem klaren Bühnenkonzept die Antwort auf die sich stets aufdrängende Frage subtil selbst überlassen: „Können wir unserem Schicksal entrinnen? Tragen wir Verantwortung für unser Handeln? Oder überlassen wir alles der nächsten Generation?“
Andreas Kriegenburg ordnet die außergewöhnliche Geschichte des Ödipus für die diesjährige Oper im Festspielhaus in vier Elemente und vier Farben. So schildert der Regisseur am Beispiel des ersten, „roten“ Akts, der im Zeichen des Feuers steht, dass dieses „hier kein Element der Zerstörung ist, sondern ein Element der Bewegung, des Tanzes und der Freude“. Das Wasser des 2. Aktes wird in der Bregenzer Inszenierung im Aggregatszustand des Nebels zum Sinnbild der vermeintlich unveränderbaren Zukunft: Nichts muss so sein, wie es vordergründig erscheint. Harald B. Thor und Tanja Hofmann unterstreichen mit dem archaisch anmutenden Bühnenbild und den entsprechenden Kostümen diesen Ansatz des Regisseurs auf stringente Weise.
Die musikalische Leitung hat der renommierte finnische Dirigent Hannu Lintu inne, der gestern vom gesamten Team mit begeistertem Applaus empfangen wurde.
(am)
Œdipe von George Enescu feiert am 16. Juli 2025 Premiere bei den Bregenzer Festspielen. Weitere Aufführungen sind am 20. und 28. Juli 2025.