Bregenzer Festspiele
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Nebenwohnsitz: Bregenz, Hinterbühne

Warum die Abteilung Requisite eine ganz eigene Zeitrechnung hat – und erst um 19 Uhr zu Mittag isst

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Alle Gegenstände, die kleiner als ein Möbelstück sind, werden im Theater als Requisiten bezeichnet. Die Requisite ist eine eigene Abteilung und bildet zusammen mit Bühnenbild, Kostüm, Maske und Kaschur die sogenannte „Ausstattung“. Im Freischütz ist Julia Schultheis derzeit die Herrin über Adler und Hirsche, über Gewehre und Zielscheiben. 

Der Patient liegt auf dem Werktisch. Das Gebrechen ist marginal: Beim Steinschlossgewehr „Napoleon 1807“ ist der sogenannte Pfannendeckel abgebrochen, der das Zündkraut vor dem Schuss vor Feuchtigkeit oder Verschütten schützt. Ein Fall für die Requisite der Bregenzer Festspiele. Dabei ist der Pfannendeckel so klein, dass sein Fehlen während der Aufführung des Freischütz kaum jemandem auffallen würde. Aber nichts zu tun, verbiete schon der Berufsethos, sagt Abteilungsleiterin Julia Schultheis. Also wird das Teil mit Spezialkleber wieder an die nicht schussfähige, aber voll bewegliche Deko-Waffe angeklebt.

Auch der Adler, den Max vom Himmel holt und der ein zentrales Requisit der Oper ist, hat bei den bisherigen Aufführungen buchstäblich Federn gelassen. Den Vogel wieder ansehnlich zu machen, gehört ebenfalls zu den Aufgaben des Teams. Bisher hielten sich die Reparaturen aber in Grenzen, berichtet Julia Schultheis.

Das mag auch daran liegen, dass es in dieser Inszenierung zum einen relativ wenige Requisiten gibt und diese zum anderen eher der robusten Sorte angehören. „Vor allem sind es Waffen“, beginnt Schultheis aufzuzählen, „Gewehre, Hellebarden, dazu Hirsche und Fasane – es ist ja ein Jägerstück. Außerdem sechs Maibäume, ein paar Fahnen, Wimpel, Fackeln … zwei Särge … und natürlich der Adler.“ Der fällt vom Himmel ins Wasser, wird dem Publikum glauben gemacht. In Wirklichkeit muss er, wie andere bewegliche Requisiten auch, vor Beginn der Aufführung an einer vereinbarten Stelle im Wasserbecken versenkt werden, damit ihn ein stolzer Max effektvoll wieder hervorholen kann.

Und alles, was bewusst liegen gelassen wird oder versehentlich im Wasserbecken gelandet ist, muss auf der riesigen Seebühne wieder eingesammelt und versorgt werden. Das geschieht gegen Mitternacht, wenn die letzten Besucher das Gelände verlassen haben. „Hat es geregnet, hängen wir die Sachen zum Trocknen auf den Steg – wenn denn die Sonne scheint! Aber prinzipiell darf alles nass werden“, verrät Julia Schultheis ein Prinzip des Spiel auf dem See.

Für eine Freischütz-Aufführung benötigt die Requisite drei bis vier Personen. Insgesamt sind derzeit acht Mitarbeiterinnen und ein Mitarbeiter im Einsatz, denn auch für die Oper im Festspielhaus, die Stücke auf der Werkstattbühne und für das Opernstudio im Theater am Kornmarkt müssen Requisiten beschafft, eingerichtet und während den Vorstellungen betreut werden. Die höchste personelle Auslastung erreicht die Requisite mit zehn Personen während der Probenzeit. Denn dann werden viele Requisiten ausprobiert und wieder verworfen. „Da arbeiten wir in zwei Schichten“, erklärt Julia Schultheis, „und damit die Frühschicht weiß, was am Vorabend bis 22 Uhr eventuell geändert wurde, kommunizieren wir per WhatsApp – oder es liegen morgens viele Zettel herum.“ 

Wenn dann die Vorstellungen laufen, ist der Rhythmus ein anderer. Es gibt nur noch eine Schicht, Arbeitsbeginn in der Requisite ist nun zwischen 15 und 16 Uhr. Auf der Hinterbühne werden die Vorbereitungen für die Abendvorstellung getroffen, und wenn es sein muss, wird auch mal ein Gewehr repariert. Unerwartetes Detail: Bei der Requisite gibt es in dieser Zeit auch Pflaster, Wundspray und Sonnencreme für alle, denn einen speziellen Sanitätsdienst hinter der Bühne gibt es nur während der Vorstellungen. „Gegen 19 Uhr schaffen wir es dann zum Mittagessen“, sagt die Requisiteurin, „das heißt bei uns auch wirklich so.“ Um 20 Uhr treffen sich alle, die auf der Seebühne zu tun haben, zur gemeinsamen Besprechung. Ein letztes Gewusel, bevor sich um 21.15 Uhr der imaginäre Vorhang hebt. 

„Der geilste Job, ever!“, resümiert die ausgebildete Bühnenbildnerin, die schon die vierte Saison mit dabei ist. Warum? „Weil es in Bregenz den See, die Seebühne und die Hinterbühne gibt, die tatsächlich zu unserem ‚Nebenwohnsitz‘ wird. Hier leben, hier arbeiten wir. Dieser Zusammenhalt, den wir jedes Jahr auf der Hinterbühne haben, mit den Kolleg:innen aus der Technik, der Beleuchtung, dem Ton – das schweißt unglaublich zusammen. Nicht zuletzt, weil wir ja jede Nacht gemeinsam hier hinten ‚festsitzen‘. Denn wenn die Vorstellung läuft, darf der Steg zum Festland nur in Notfällen benutzt werden.“ Eigentlich wolle sie nie wieder an ein Opernhaus, sagt Julia Schultheis mit einem Augenzwinkern. 

(ami)

26.07.2024 Julia Schultheis (Requisite) © Bregenzer Festspiele / Eva Cerv

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