Wenn Perücken Haar für Haar geknüpft und Kopfbedeckungen passgenau gefertigt werden, steckt dahinter die gebündelte Expertise der Maskenabteilung. Damit all das auf der Bühne perfekt wirkt und dennoch wie selbstverständlich erscheint, braucht es vorausschauende Planung, viel Geduld – und präzises Handwerk.
In der Regel fällt Zuschauer:innen einer Opernaufführung die Arbeit der Maskenbildner:innen selten direkt auf. Wenn Frisuren, Make-up und Bärte sitzen, entsteht ein Gesamteindruck, der die Figuren lebendig erscheinen lässt. Aber gerade auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele müssen einige Herausforderungen gemeistert werden, damit die Maske hält.
Schon ab dem ersten Tag der Planung einer Produktion am See ist Frauke Gose, Chefmaskenbildnerin der Bregenzer Festspiele, mit dabei. Neben dem Bühnenbild und den Kostümen ist das Maskenbild ein wesentlicher Teil des Gesamtkonzepts einer Opernproduktion und wird in enger Absprache mit den anderen Abteilungen entwickelt. Denn es sind Perücken, Bärte und Make-up die den Figuren Charakter und Tiefe verleihen. Planung, Beschaffung von Materialien und Koordination zählen also ebenso wie die handwerkliche Arbeit und die intensiven Probenphasen zu den Aufgaben der Maskenabteilung.
Eine Woche Knüpfarbeit
Damit nach der genauen Planung alle Perücken, Bärte und Kopfbedeckungen auch wirklich passen und realistisch aussehen, werden in einem ersten Schritt Abdrücke von Kopf und Gesicht der Darsteller:innen gemacht. Jedes Teil wird als Unikat auf die individuellen Gesichts- und Kopfformen sowie die Bewegungen der Darsteller:innen angepasst. Nach den Abdrücken beginnt die Knüpfarbeit. Eine ganze Woche, acht Arbeitsstunden pro Tag, braucht es, um eine einzige Perücke aus Echthaar herzustellen. Bei der Produktion des Freischütz wurden für bestimmte Perücken aber auch Büffelhaare verwendet – jenes Material, aus dem auch die klassischen Perücken der Barockzeit gefertigt wurden. Dadurch erhalten sie ihren authentisch historischen Look und wirken besonders realistisch. Die Mätressen des Fürsten und seine Pagen, die am Ende des Stücks in einem Schlitten auf die Bühne kommen, tragen diese speziell aus Büffelhaar gefertigten Perücken.
Wichtig ist auch immer der sorgsame Umgang mit den besonderen Arbeitsstücken. „Wir gehen sehr gewissenhaft mit unseren Stücken um. Man weiß nie, wann man all diese wertvollen, handgemachten Einzelanfertigungen wieder brauchen kann“, betont Frauke Gose. Deshalb wird auch der Pflege und dem Transport der Arbeitsstücke viel Aufmerksamkeit gewidmet. Die Perücken werden täglich frisiert, einige auch geflochten, und mit einem eigenen Wagen vor der Vorstellung zur Hinterbühne transportiert, wo sich ein Teil der Garderoben befindet.
Haarpracht für Solistinnen und Stunt-Doubles
Wegen der Mehrfachbesetzung des Spiels auf dem See gibt es für viele Rollen nicht nur eine, sondern gleich mehrere Perücken. Die größte Anzahl an Perücken – ganze sieben Stück – hat die Maskenabteilung für die Figur der Agathe hergestellt, nicht nur für die Sängerinnen, sondern auch für die Stunt-Doubles. Bei den teils actionreichen Szenen macht Agathes Haarpracht einiges mit und muss, wie alle anderen Perücken auch, den unterschiedlichsten Witterungen standhalten.
Teuflische Hörner mit Charakter
Ein weiteres besonderes Stück aus der Maskenabteilung, das bei jeder Aufführung des Freischütz zum Einsatz kommt, ist teuflischer Natur: die Hörner von Samiel, dem listigen Erzähler. „Samiels Hörner sind keine Requisiten, sondern eine organische Erweiterung der Figur“, erklärt Frauke. Neben der ästhetischen Wirkung muss auch die Funktionalität passen – die Teufelshörner sollen sicher sitzen und dürfen weder drücken noch das Spiel oder die Mimik beeinflussen. „Bei der Entwicklung der Hörner haben wir mit Livecasts gearbeitet. Das sind spezielle Gipsabdrücke der Gesichter, um die Hörner später präzise an die Physiognomie der beiden Samiel-Darsteller anpassen zu können.“ Auch die Firma Kryolan, welche sich auf professionelle Theater-, Film- und Spezialeffektschminke spezialisiert hat, war an der Erstellung dieser besonderen Einzelstücke beteiligt. Durch das Ausprobieren mit unterschiedlichen Materialien und Formen ist es gelungen, die beiden Samiel-Darsteller, Moritz von Treuenfels und Niklas Wetzel, mit einem optimalen Maskenstück auszustatten, welches der Figur mehr Tiefe und Authentizität schenkt.
Eine ausgereifte Planung und individuelle Arbeit mit den Darsteller:innen ist also ebenso wie das Mitdenken der Bewegungsbedingungen wesentlich, um die Arbeit der Maskenbildner:innen auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele unbemerkt erscheinen zu lassen und den einzelnen Figuren Tiefe und Charakter zu verleihen.
(tl)