Zwei Teufel blicken zurück
Höhenflüge, Tauchgänge und unvergessliche Seebühnen-Momente
Zwei Sommer lang spielten die beiden Schauspieler Niklas Wetzel und Moritz von Treuenfels auf der Bregenzer Seebühne abwechselnd Samiel, den Teufel. Der ist im Bregenzer Freischütz nicht nur düsterer Gegenspieler, sondern auch charismatischer Erzähler und Lenker des Geschehens. Im Gespräch berichten die beiden von ihrem ersten Staunen über die monumentale Seebühne, von unerwarteten Abenteuern – und von der einzigartigen Intensität eines allabendlichen Auftritts vor fast 7.000 Menschen.
Babette Karner: Vor knapp drei Jahren kam der Anruf: „Seebühne, Oper, Freilicht, Teufel, neu geschrieben.“ Was habt ihr gedacht, als ihr zugesagt habt?
Niklas Wetzel: Ich habe das alles Moritz zu verdanken – er hat mich Regisseur Philipp Stölzl empfohlen. Als Philipp mir dann die Bühne in Form eines perfekt animierten 3D-Bildes gezeigt hat, habe ich mir gedacht: „Holy s***, was ist das?“ Als Schauspieler in einer Opernproduktion mitzuwirken, schon das war ja eher ungewöhnlich. Und ich wusste, das wird groß. Aber damals war mir noch nicht klar, dass die Seebühne für uns ein so fantastischer Abenteuerspielplatz werden würde: etwas, für den sich jede:r Schauspieler:in die Finger leckt. Gleichzeitig dachte ich: „Kann ich das?“
Moritz von Treuenfels: Ich kannte Philipp Stölzl schon und wusste: Wenn er etwas macht, dann wird das groß und beeindruckend. Richtig gepackt hat es mich, als Philipp fragte, ob ich den Teufel auf einem Kirchturm spielen wolle – hoch über dem Bodensee. Als ich dann mit den Stuntleuten sprach und sie mir erklärten, was alles passieren würde, wurde es richtig real, und ich dachte nur: „Okay, ich werde tauchen, unter dem Bühnenbild entlang…“ Das Staunen wuchs und ist bis heute nicht verschwunden. Mir war bald klar: Das ist eine „Once in a Lifetime“-Gelegenheit. Und am Ende war es sogar noch schöner, als ich es mir vorgestellt hatte.
BK: Wie war es dann wirklich auf der Seebühne? So, wie ihr es erwartet habt?
MvT: Alles hier ist unerwartet. Es gibt nichts, was „normal“ ist: Die Inszenierung auf der Seebühne ist für uns Darsteller:innen ein Sammelsurium an tollen Überraschungen und Herausforderungen.
BK: Der Freischütz ist eine Opernproduktion, ihr seid die einzigen Schauspieler. Wie war das für Euch?
NW: Mir ist am Anfang aufgefallen, dass man bei den Bregenzer Festspielen natürlich mehr Erfahrung mit Opernsänger:innen als mit Schauspieler:innen hat…
MvT: …aber die Arbeit hier fordert uns alle auf die gleiche Weise. Das schweißt zusammen, vom ersten Tag an! Alle sind stetig gefordert, die eigene Komfortzone zu verlassen. Man muss hier in Bregenz neugierig sein – und ein bisschen verrückt. Wenn du das nicht bist, kommst du auf der Seebühne nicht weit.
BK: Ihr seid als Samiel mehr oder weniger die ganze Zeit auf der Bühne, spielt aber wegen der Zwei- bis Dreifachbesetzung der Hauptpartien jeweils mit unterschiedlichen Partner:innen. Wie ist das?
MvT: Jede Sängerin, jeder Sänger hat im Zusammenspiel andere Bedürfnisse. Oft sind es nur Kleinigkeiten, aber die sind wichtig: Wie man sich auf das Bett setzt oder wie eng unser Körperkontakt in gewissen Szenen sein darf, damit alle noch konzentriert singen können.
NW: Außenstehende ahnen oft nicht, wie viel Kommunikation zwischen uns Darsteller:innen nötig ist, damit am Ende alles so leicht wirkt.
BK: Habt ihr Lieblingsszenen?
NW: Ganz am Ende, wenn Agathe erschossen wird, dann laufe ich von der Hinterbühne im Takt der Musik auf der Treppe den Hügel hinauf und wenn ich oben ankomme und von dort auf die Menschenmenge blicke, dann ist das ein emotionaler Höhepunkt. In der Oper, für das Publikum, das nun komplett gepackt ist, aber auch für mich. Ab da weiß ich auch: Der Abend ist fast geschafft!
BK: Gab es besondere Publikumsreaktionen?
NW: Viele Kinder und Jugendliche waren schon mehrmals da – manche können Samiels Text sogar auswendig nachsprechen! Und ich bekomme unzählige Nachrichten von Menschen, die sagen, sie seien eigentlich keine Opernfans, jetzt aber restlos begeistert.
MvT: Das ist das Besondere an Bregenz: Man erreicht hier Menschen, die sonst nie in die Oper gehen. Wenn sie dann allen erzählen, das Spiel auf dem See sei das emotional Packendste gewesen, was sie je erlebt haben – dann ist das ein Geschenk.
BK: Was nehmt ihr aus diesen zwei Sommern am Bodensee mit?
NW: Dass wir zwei Sommer lang fast täglich vor fast 7.000 Leuten live gespielt haben. Das wird einmalig bleiben.
MvT: Hier stehen echte Menschen mit echten Emotionen auf der Bühne. Es kann alles schiefgehen, es kann alles gelingen – und der Teufel da draußen, der ist echt! Solche analogen Erlebnisse sind heute wichtiger denn je, denn diese Art von gemeinsamem Erleben gibt es heute fast nirgendwo mehr.
NW: Theater ist vergänglich – und genau das macht seinen Zauber aus!