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Eine queere Utopie

Mit The Faggots and Their Friends Between Revolutions präsentieren der Komponist Philip Venables sowie der Autor und Regisseur Ted Huffman ein Musiktheaterwerk, das Diversität und sexuelle Vielfalt feiert

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Bregenz, 21.7.23. Mit The Faggots and Their Friends Between Revolutions präsentieren der Komponist Philip Venables sowie der Autor und Regisseur Ted Huffman ein Musiktheaterwerk, das Diversität und sexuelle Vielfalt feiert.

Dieses Buch aus dem Jahr 1977 ist eine Provokation. Allein schon der Titel, The Faggots and Their Friends Between Revolutions, den man mit „Die Schwuchteln und ihre Freunde zwischen den Revolutionen“ ins Deutsche übersetzen müsste. Eigentlich wollte der US-amerikanische Autor Larry Mitchell ein Kinderbuch schreiben – und schuf stattdessen zusammen mit den Illustrationen von Ned Asta eine frivol-unzüchtige Collage, bestehend aus Aphorismen, Kurzgeschichten, Märchen und Parabeln, halb Dystopie, halb politisches Manifest. Mittlerweile gehört das Buch mit seinem Humor, seinem Ideenreichtum und seiner Respektlosigkeit zum internationalen queeren Literaturkanon. Doch während es im englischsprachigen Raum Kultstatus beansprucht, ist es hierzulande weitestgehend unbekannt, was nicht zuletzt auch an einer fehlenden deutschen Übersetzung liegen dürfte. Allein der Begriff „Faggot“ ist schwierig. Ursprünglich war er eine Beleidigung für homosexuelle Männer, wenngleich Mitchell in seinem Buch offensichtlich die Strategie einer positiven Selbstaneignung verfolgte, eine Strategie, die nur bedingt gelang und stets vom jeweiligen Kontext abhängig ist. Können sich heute Personen innerhalb der schwulen Community durchaus mit „Faggot“ ansprechen, würde man dieses von einer heterosexuellen Person nicht tolerieren und eindeutig als Beleidigung auffassen. Ganz anders verhält es sich zum deutschen Pendant: Bis heute ist „Schwuchtel“ ein außergewöhnlich herabwürdigendes und widerliches Wort – und eines der am häufigsten verwendeten Schimpfwörter.

In Mitchells Buch tauchen allerdings nicht nur „Faggots“ auf, sondern auch „Fairies“, „Queens“, „Faggatinas“ und „Dykalets“. Letztere Begriffe sind Neologismen des Autors, ebenso die „Gays as a Goose“ und das „House of the Heavy Horny Hunks“. Interessanterweise wird der Begriff „queer“ von Mitchell anders verstanden als heute. Er wird keineswegs als Synonym für sexuelle Vielfalt verwendet, sondern für jene angepassten und unterwürfigen homosexuellen Männer, die ihre Sexualität im Geheimen ausleben und andere Angehörigen der Community meiden. So sind die „queeren Männer“ keine wirklichen Freunde der „Faggots“, aber: »Selbst ein schwaches Glied in der Kette ist ein Glied der Kette«, wie es im Buch heißt. Gemeinsames Feindbild der „Faggots“ und ihrer Freunde sind die »Men«. Sie sind nicht nur heterosexuell und weiß, sondern auch frauenfeindlich und homophob. Sie herrschen über das im Verfall begriffene Imperium Ramrod (im Englischen bezeichnet „Ramrod“ einen Stock zum Laden von Feuerwaffen). Daher kämpfen auch die „Strong Women“ als Freundinnen auf der Seite der „Faggots“. War ihr Verhältnis am Anfang noch schwierig gewesen („Doch sie trauten den Faggots nicht, weil sie Faggots nur als Männer kannten und Männern konnten sie nicht trauen«) waren sie es, welche den „Faggots“ jenen Kampfesmut mitgaben, den man für Revolutionen braucht. Denn in einem paradiesischen Urzustand hatten alle Geschlechter in Harmonie gelebt, ehe die »Männer« in einer ersten Revolution »die großartigen Kulturen der Frauen“ und jene der „Faggots“ und ihrer Freunde zerstörten. Doch kommt es zur Gegenrevolution?

(Florian Amort)

30.06.2023 The Faggots And Their Friends Between Revolutions Joy Smith, Sally Swanson, Yandass
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