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Nicht einmal mehr vier Wochen sind es bis zur Premiere von Der Freischütz, dem Spiel auf dem See der Bregenzer Festspiele 2024. Die insgesamt 28 Vorstellungen versprechen packende Handlung und emotionsgeladene Musik. Produktionsdramaturg Olaf A. Schmitt hilft uns zu ergründen, warum Carl Maria von Webers 1821 uraufgeführtes Werk bis heute so populär ist.
"Erstens ist es die irrsinnig gute Musik!", sagt der künstlerische Berater der Bregenzer Festspiele und Produktionsdramaturg Olaf A. Schmitt, um sogleich mit Feuer auf das Geschehen in der Wolfsschlucht zu sprechen zu kommen: "Eine geradezu exemplarische Opernszene, die bis heute unvergleichlich ist, in der Weber mit einer einzigartigen Kompositionsweise und der Verbindung von Arien, Chören, Sprechtexten, Instrumentalmusik eine riesige Gruselszene geschaffen hat … einfach unglaublich!" Diese Schlüsselszene war auch der Grund, warum Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl dieses Stück unbedingt auf die Seebühne bringen wollte.
Um seine angebetete Agathe heiraten zu können, sieht Max keinen anderen Ausweg als in besagter Wolfsschlucht einen Pakt mit dem Teufel zu schließen. Der Freischütz sei eine Erzählung, sagt Olaf A. Schmitt, die mit vielem spielt, was heutzutage Netflix-Serien oder Horrorfilme auch tun: nämlich mit dem Unheimlichen, mit Ängsten und der Lust am Grauen, dem Teuflischen, den dunklen Mächten, "aber natürlich auch mit der Liebe". Die dem Bösen innewohnende Faszination ist für den Dramaturgen der zweite Grund für die anhaltende Popularität des Freischütz.
Es ist eine "Romantische Oper in drei Aufzügen". Der Begriff der Romantik und das Selbstverständnis der Romantiker:innen – gemeint sind damit seelenverwandte Zeitgenossen:innen Webers wie E. T. A. Hoffmann in der Literatur oder Caspar David Friedrich in der bildenden Kunst – haben sich seit der gefeierten Uraufführung in Berlin vor etwas mehr als 200 Jahren gewandelt. Bestimmte Stilmittel und Kennzeichen sind jedoch geblieben. Die Betonung von Sehnsucht und Liebe oder das Schaffen von Traumwelten. Im 19. Jahrhundert gehörte auch ein gewisser Hang zum Fantastischen und Übersinnlichen dazu. Dass zum Beispiel eine unter obskuren Umständen oder gar mit teuflischer Hilfe gefertigte Gewehrkugel die Gesetze der Physik schlägt und immer ihr Ziel erreichen wird …
Als Der Freischütz entstand, waren die Napoleonischen Kriege erst wenige Jahre vorüber und Europa litt noch immer unter den Folgen. Darauf gingen Carl Maria von Weber und sein Librettist Friedrich Kind über einen Umweg ein – das Stück spielt am Ende des Dreißigjährigen Krieges. "Wir dürfen nicht vergessen, Kaspar ist ein Kriegsinvalide", erklärt Olaf A. Schmitt die Rolle des zwielichtigen Gesellen, der Max zum Frevel verführt: "Die persönlichen Kriegserfahrungen aller Figuren spielen eine große Rolle. Kaspars Erinnerung an das Schlachtfeld und daran, wie er sich aus dem Pulvernebel heraus freischießen musste, gemahnt daran, dass man sich im Krieg mit den menschlichen Abgründen, mit dem Grauen beschäftigen muss."
Carl Maria von Weber traf damals jedenfalls einen Nerv der Zeit. Der Freischütz war ein Gegenentwurf zur vorherrschenden italienischen und französischen Oper. Eine volkssagenhafte Handlung in Wäldern und Auen, gemeinsames Singen in der Natur, und die symbolhafte Verwendung des Waldhorns in der Musik. Auch ein Schützenfest mit einem zu ehrenden Schützenkönig – außerhalb des deutschen Sprachraums eher erklärungsbedürftig – war vorher in dieser Musikgattung nicht üblich. In Summe ergab das alsbald den Inbegriff der deutschen romantischen Oper.
(ami)