Bregenzer Festspiele
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Bregenzer Festspiele trauern um Eva Kleinitz

Straßbourg/Bregenz, 31.5.19. Die Bregenzer Festspiele trauern um ihre frühere stellvertretende Intendantin, Operndirektorin und Dramaturgin Eva Kleinitz. Die aus Hannover stammende

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Straßbourg/Bregenz, 31.5.19. Die Bregenzer Festspiele trauern um ihre frühere stellvertretende Intendantin, Operndirektorin und Dramaturgin Eva Kleinitz. Die aus Hannover stammende Musikwissenschaftlerin starb am Donnerstagmorgen (30.5.2019) im Alter von 47 Jahren im elsässischen Straßbourg, wo sie seit 2017 als Generalintendantin der Opéra national du Rhin wirkte.

Zuvor war sie am Opernhaus Stuttgart und am Brüssler Opernhaus La Monnaie / De Munt in leitender Position innerhalb der Intendanz tätig. Eva Kleinitz zählte zu den profiliertesten Theaterleiterinnen Europas. Ihre internationale Karriere begann die „leidenschaftliche Kämpferin für die Kunst“ (Opernwelt) 1991 bei den Bregenzer Festspielen, wo sie bis 2006 tätig war. Sie erlag nach anderthalb Jahren einer Krankheit.

Uraufführungen und Wiederentdeckungen
Eva Kleinitz arbeitete von Beginn mit internationalen Spitzenvertretern des jeweiligen Faches zusammen. Viele weltweit renommierte Dirigenten, Regisseure und Sänger wirkten in ihrem Umfeld. Während Eva Kleinitz' jeweiligen Schaffens wählte das Fachmagazin Opernwelt die Stuttgarter Oper zum Opernhaus des Jahres, bei den Bregenzer Festspielen wurde mit Ein Maskenball (1999/2000) erstmals eine Freiluftkulisse zum Bühnenbild des Jahres gekürt. Eva Kleinitz gestaltete die zum stehenden Begriff avancierte „Bregenzer Dramaturgie“ maßgeblich mit, unter anderem initiierte sie Uraufführungen und Wiederentdeckungen.

„Die Bregenzer Festspiele sind in tiefer Trauer“
„Eva war eine großartige, begeisterungsfähige Kollegin und ein wunderbarer Mensch. Sie hat mit ihrer beeindruckenden Persönlichkeit die Bregenzer Festspiele geprägt. Es ist unendlich traurig und unvorstellbar, dass wir sie nicht wiedersehen werden. Die Bregenzer Festspiele sind in tiefer Trauer. Unser Mitgefühl gilt Ihren Eltern, Ihren Freunden und den vielen Theaterschaffenden, die Eva vermissen werden“, sagt Elisabeth Sobotka, Intendantin der Bregenzer Festspiele.

Die Nachrufe der ehemaligen Festspiel-Intendanten Alfred Wopmann und David Pountney finden Sie untenstehend zum Download.

Der besondere Ort
Eva Kleinitz‘ Theater-Karriere begann 1991 bei den Bregenzer Festspielen, wo sie als Regie-Hospitantin auf der Seebühne bei Carmen tätig war. Von den künstlerischen Möglichkeiten und den Bedingungen am Bodensee fasziniert, kehrte sie neben ihrem Studium bis 1997 jeden Sommer an den „besonderen Ort“ zurück, wie sie das Festival gerne nannte.

Ab der Saison 1998 machte sie ihre Leidenschaft zum Beruf und als Opern-Produktionsleiterin der Bregenzer Festspiele ganzjährig Station am Bodensee. Bald darauf wurde sie Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros und Referentin des damaligen Festspiel-Intendanten Alfred Wopmann, der als ihr beruflicher Mentor gilt. Mit der Übernahme der Bregenzer Intendanz durch David Pountney fungierte Eva Kleinitz ab Herbst 2003 als stellvertretende Intendantin und Prokuristin des Festivals.

Als erste Frau an der Spitze von Opera Europa
2006 wechselte sie als Operndirektorin ans Brüsseler Opernhaus La Monnaie / De Munt. Ab Herbst 2011 wurde Eva Kleinitz zur Operndirektorin und stellvertretenden Intendantin ins Leitungsteam der Oper Stuttgart berufen. Seit der Spielzeit 2017/2018 zeichnete sie als Generalintendantin der Opéra national du Rhin erstmals letztverantwortlich für ein Opernhaus. Von 2013 bis 2017 leitete Eva Kleinitz als erste Frau und erste deutsche Präsidentin die Geschicke des Branchen-Zusammenschlusses Opera Europa. Besonderes Augenmerk legte Eva Kleinitz stets auf Sänger-Qualität und Opern-Neuentdeckungen. Oft reiste sie nach Japan, lernte die japanische Sprache und hielt seit 2005 regelmäßig Gastvorlesungen an der Showa University of Music in Shinyurigaoka in der Präfektur Kanagawa.

Es ging Eva stets um die Sache, mit großer Kunst, großer Qualität und großen Bühnenmomenten das Publikum zu verzaubern. Die Geschäftsführung sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bregenzer Festspiele, die Festspielkünstlerinnen und -künstler werden Eva Kleinitz sehr vermissen. Wir sind in tiefer Trauer.

(ar)

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Ruf nach einem außerordentlichen Menschen
von Alfred Wopmann, ehemaliger Intendant der Bregenzer Festspiele

Ich kenne Eva Kleinitz bereits aus ihrer Zeit als Schülerin der Waldorfschule in Saarbrücken. In etlichen handgeschriebenen Briefen drückte sie ihr dringendes Verlangen aus, die Bregenzer Festspiele kennenzulernen, weil sie von den großen Erfolgen der Zauberflöte und des Fliegenden Holländers gehört hatte – vor allem von den Staunen erregenden Bühnenskulpturen auf der Seebühne. So kam es 1990 zu einem persönlichen Gespräch in Berlin, in welchem Eva mit Charme und Hartnäckigkeit ihren Wunsch, Bregenzer Theaterluft schnuppern zu wollen, so überzeugend vortrug, dass ich sie 1991, als Regiehospitantin für die neue Savary Produktion der Carmen engagierte. Ein Glücksfall, wie sich bald herausstellte, denn überall, wo sich ein Problem stellte, war sie uneigennützig sofort zur Stelle; bot in manch eiskalter Nacht Sängern heißen Tee an, half bei der Requisite oder verkleidete sich als Zigarettenmädchen in Carmen, um bei Kostümumzügen auf der Bühne zu helfen. Da sie fließend Französisch sprach, wurde sie auch bald gesuchte Dolmetscherin und das unentbehrliche Bindeglied zwischen Bühne und künstlerischem Betriebsbüro.

Der Ruf: „Wo ist Eva?“ war immer öfter zu hören und so war es selbstverständlich, dass aus der Hospitantin die Regieassistentin in David Pountneys Inszenierung der Oper Nabucco wurde. Ich glaube, dass es die bewegenden Erlebnisse gerade bei dieser Produktion waren, welche das „Bregenz Fieber“ in Eva auslösten. Dieses Fieber ergriff bei der Generalprobe von Nabucco am 17. Juli 1993 7.000 auf der Tribüne versammelte Zuschauer. Kaum hatte der berühmte Gefangenenchor begonnen, als immer stärker werdender Regen einsetzte. Die Musik Verdis und das wie ein Zeichen wirkende Gewitter verstärkten die Emotionen des Publikums derart, dass alle auf ihren Sitzen ausharrten, bis der letzte Ton der Musik verklungen war. Eva und ich fragten uns, ob das die berühmte Katharsis, von der man zwar gehört, sie aber noch nie erlebt hatte, wäre. Wir waren Zeugen einer seelischen Erschütterung geworden, welche uns begreifen ließ, dass wir im Dienste einer Sache stehen, welche größer ist als wir. Bregenz war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Beruf, sondern Berufung. Lebensbestimmende künstlerische Heimat.

In diesem Sinne übernahm Eva Kleinitz wesentliche Aufgaben, welche in den folgenden Jahren auf uns zukamen. Sie übernahm das künstlerische Betriebsbüro und wurde meine persönliche Referentin. Worauf es ihr ankam, formulierte sie treffend in ihrem Beitrag für das Buch „Bühnenwelten Werkstatt Bregenz“: künstlerische Inhalte, mit denen sie sich identifizieren konnte. Zeitkritische Produktionen, welche ein Massenpublikum mit Aufklärung konfrontierten wie es z.B. bei Fidelio der Fall war. Oder die Eröffnung der Werkstattbühne als Schauplatz für zeitgenössische Kunst, was gerade Eva ein Herzensanliegen war, hatte sie doch Philippe Arlaud bei der Inszenierung der Haas Oper Nacht assistiert, begeistert von den Ausdrucksmöglichkeiten der mikrotonalen Musik.

Es waren zwei Höhepunkte, welche ihren Weg in das zweite Jahrtausend begleiteten und von denen Eva Kleinitz selbst sagt, sie seien prägend für ihr Leben gewesen: die Metapher für den Maskenball als Tanz in den Tod, Sinnbild dafür, dass jede Macht der Welt, so groß sie sich auch dünken möge, einer noch höheren Macht weichen muss, der letzten Instanz unseres Lebens. Der andere Höhepunkt war die Uraufführung der Erstfassung der Griechischen Passion von Boleslav Martinu im Großen Festspielhaus.

Wer hätte damals gedacht, dass Eva Kleinitz nach der Erreichung ihres Lebenszieles, selbst Intendantin zu werden, so früh von der Bühne des Lebens abtreten muss.

In Würdigung ihrer großen Verdienste um die Bregenzer Festspiele, ihrer Loyalität und persönlichen Unterstützung möchte ich Eva Kleinitz Dank sagen. Ich werden sie nicht vergessen und immer in meinem Herzen behalten.

Eine Vision und eine Visionärin
von David Pountney, ehemaliger Intendant der Bregenzer Festspiele

Wenn ich an Eva denke, habe ich die Vorstellung von einer flotten, lebhaften, energiegeladenen, lächelnden jungen Frau, rotes Haar wallt ihren Rücken hinab, mit irgendwem, jedem, allen kommunizierend. Ob bescheiden oder vor Kraft strotzend: Eva hatte stets dieselbe wohlwollende, offene Zuneigung.

Sie war leidenschaftlich mit dem, was sie tat, und sie erweckte Leidenschaft und Begeisterung in anderen, vor allem dort in Bregenz, auf der Seebühne, wo ich sie kennengelernt habe.

Eva war sich zunächst nicht sicher, ob sie mit mir arbeiten will, als ich 2004 als Intendant der Bregenzer Festspiele begann. Aber nachdem sie sich dazu entschieden hatte, war unser Arbeitsverhältnis der Grundpfeiler von allem Fruchtbaren und Kreativem, das sich in jenen sehr erfreulichen und konstruktiven Bregenzer Jahren ereignete.

Eva war durch und durch eine Visionärin, die weit vorausschaute und sich allmählich eine Position erarbeitete, in der sie Visionen realisieren konnte. Sie hatte ein gewaltiges Wissen, Geschmack, Urteilsvermögen, Kompetenz und Talent. Sie war eine echte Führungspersönlichkeit mit einer klaren Vorstellung davon, wo sie hinwollte, mental und psychologisch ausgestattet, um ihr Ziel zu verfolgen.

Was für eine Tragödie, dass dieses pulsierende Leben einer herausragenden jungen Frau seiner Gelegenheit beraubt wurde, zu blühen.

Hinweis: Untenstehend steht ein Auszug aus dem 2003 erschienenen Buch „Bühnenwelten – Werkstatt Bregenz“ in deutscher und englischer Sprache zum Download, in dem Eva Kleinitz ihr „Bregenz-Fieber“ beschreibt. Herausgeber des Buches ist Wolfgang Willaschek unter Beteiligung von Karl Forster.

30.05.2019 Eva Kleinitz © Klara Beck
30.05.2019 Eva Kleinitz Portrait © Klara Beck
30.05.2019 Eva Kleinitz © Bregenzer Festspiele/Karl Forster
31.05.2019 Eva Kleinitz © Bregenzer Festspiele
31.05.2019 Eva Kleinitz © Bregenzer Festspiele / Karl Forster
31.05.2019 Eva Kleinitz Eva Kleinitz mit den früheren Intendanten der Bregenzer Festspiele Alfred Wopmann
© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

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