Wenn die Anforderungen an ein Bühnenbild von verzerrten Spiegeln bis hin zu einer riesigen Rampe reichen, hat die Tischlerei der Bregenzer Festspiele alle Hände voll zu tun. Wo die Planung beginnt und was es für ein erfolgreiches Bühnenbild braucht, hängt unter anderem von kreativen Einfällen und den richtigen Werkzeugen ab.
Hinter der Bühne gibt es schon lange vor der ersten Aufführung von Gioachino Rossinis Oper La Cenerentola viel Arbeit, damit die fantasievolle Inszenierung in ihrem vollen Glanz erlebt werden kann. Gerade die Tischlerei der Bregenzer Festspiele stand bei diesem Bühnenbild großen Herausforderungen gegenüber, welche aber durch Geschick, Organisation und Kreativität gemeistert werden konnten.
Verantwortlich für die Verwirklichung des aufwendigen Bühnenbildes in der Tischlerei sind Shantira Kosol und ihr Team. Die Tischlerin sorgt dafür, dass die Entwürfe der Bühnenbildnerin Anna Reid, die Cenerentolas Geschichte in eine Szenerie zwischen Fun-House und Fantasywelt versetzt, handwerklich in die Tat umgesetzt werden. Von einer kolossalen Rampe über acht verzerrte Spiegel, die alle einen Rahmen sowie eine speziell geformte Unterkonstruktion aus der Tischlerei brauchen, bis hin zu einem Karussellpferd ist alles dabei.
Die ersten Einblicke in das Bühnenbild bekam Shantira Anfang des Jahres. Ihre Arbeit begann Mitte März 2025 bei der Konzeptpräsentation von La Cenerentola. Dort wurde ein erstes Modell der Bühne sowie ein digitales Modell von diesem vorgestellt. „Das reicht mir aber noch nicht aus, um alles im Detail zu konstruieren“, erzählt die Tischlerin. Da eine präzise Planung für das Gelingen des Bühnenbildes entscheidend ist, besteht ihr erster Arbeitsschritt darin, ein 3D-Modell der Bühne anzufertigen. Dabei spricht sie sich laufend mit der Bühnenbildnerin ab. Auch das detaillierte Abmessen des davor erhaltenen Modells ist wesentlich und benötigt viel Geduld. Ist diese reine „Bürotätigkeit“ abgeschlossen, geht es in der Tischlerei mit dem handwerklichen Teil der Arbeit weiter.
Als erstes waren die Rahmen und die Unterkonstruktion der acht, knapp zwei Meter hohen Spiegel an der Reihe. Für den gewünschten verzerrenden Effekt musste Shantira eine speziell geformte Unterkonstruktion herstellen. Die Profile von dieser hat sie am Computer gezeichnet und danach ausgefräst. Mit Biegesperrholz wurden die Flächen wellig oder konkav geformt und danach in die Spiegelrahmen eingelassen. Diese Arbeit war recht schnell erledigt und die Teile konnten an die Kaschur zum Anmalen im Schachbrettmuster weitergegeben werden.
Als besonders knifflig stellte sich die Anfertigung der Rampe heraus. Diese musste nicht nur aus Holz gefertigt werden, sondern auch mit einem Bodenbezug beklebt werden, welcher ein verzogenes Schachbrettmuster hat und direkt mit dem Boden des restlichen Bühnenbildes verbunden ist. „Dass während der Fertigung und später beim Bekleben und beim Aufbau alles zusammenpasst, ist ziemlich schwierig“, betont Shantira. Mit dem richtigen Werkzeug ist aber schon einmal ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht. Dankbar ist Shantira für die CNC-Fräse der Bregenzer Festspiele, die in Dornbirn steht. „Bei Bauteilen wie der Rampe, die die Kurve hat, und bei der alles exakt passen muss, ist es sehr fein, es mit der CNC umzusetzen.“ Für die Fertigung eines Werkstücks mittels CNC-Fräse muss zuerst eine maßstabgetreue 3D-Zeichnung gefertigt werden. „Dann programmiere ich es, und am Ende habe ich es genauso wie ich es brauche.“ Die Tischlerin gibt der Maschine vor, welchen Weg sie entlangfahren soll, damit diese die Kurven der Rampe exakt ausfräsen kann.
Neben der Rampe ist auch das Karussellpferd ein auffälliges Element des Bühnenbilds von La Cenerentola. Ursprünglich war geplant, dieses auszuleihen. Da die Pläne, was an dem Pferd verändert werden sollte, aber sehr groß waren – es sollte eine Stange integriert werden und noch weiter angemalt werden – konnte dieser Plan nicht in die Tat umgesetzt werden. Denn die Anforderungen an das Karussellpferd sind hoch: „Das Pferd so zu konzipieren, dass ein Sänger draufsitzen kann, sieben Minuten singt und dabei herumgeschoben wird, ist nicht einfach.“ Aber auch diese Herausforderung wurde gemeistert. Das Karussellpferd hat schließlich Shantira selbst konzipiert, so dass es von keiner Stange in der Mitte durchbohrt werden muss, stabil genug für die Gesangseinlage, bei der der Sänger auf dem Pferd sitzt, ist und es währenddessen auch noch auf der Bühne mit Rollen bewegt werden kann. Nach dem Ausfräsen des Pferdekörpers wurde dieser auf eine vertikale Stange gesetzt. „Passt“, freut sich Shantira.
Die Arbeit der Tischlerei trägt wesentlich zum Gelingen einer Opernproduktion bei, und muss von der Konzeptplanung bis zur Premiere präzise durchdacht werden. Mit Planung, Kreativität und den richtigen Werkzeugen haben Shantira Kosol und ihr Team in der Tischlerei diese Aufgaben mit Bravour gemeistert: Der Premiere von La Cenerentola am 12. August steht nun nichts mehr im Wege!
(tl)