Bregenzer Festspiele
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„Es ist der größte musikalische Moment meines Lebens“

Bisher hat der Bassbariton Paul Gay die Titelrolle in George Enescus Oper nur konzertant gesungen: Bei den Bregenzer Festspielen ist er erstmals als Œdipe auf der Bühne zu erleben.

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© Bregenzer Festspiele / Anja Koehler

Er hat aufgrund seiner Muttersprache eine Affinität zu französischen Opern, das umfangreiche Repertoire von Paul Gay, den viele Musikfreunde mit Auftritten als Golaud in Debussys Pelléas und Mélisande oder als Saint François d’Assise in der gleichnamigen Oper von Messiaen in Verbindung bringen, bestätigt jedoch seine Vielseitigkeit. 

„Als Franzose bin ich natürlich mit dieser Sprache verbunden, mich definieren aber sehr verschiedene Stile, ich habe etwa auch Berg, Mozart, Wagner, Strauss, Verdi, Puccini und moderne Werke gesungen. Ich glaube, um eine Rolle wie die des Œdipe zu bewältigen, muss man diese Art von Karriere gemacht haben. Es ist eine wunderbare Musik mit einigen Besonderheiten, die Partie enthält viele Schwierigkeiten, das Orchester ist sehr groß, wenn man da nicht genug Reife hat, macht man sich kaputt.“

Paul Gay hat die Hauptpartie in der Oper Œdipe von George Enescu vor wenigen Jahren in konzertanten Produktionen unter der musikalischen Leitung von Vladimir Jurowski gesungen und seitdem gehofft, diese große Partie einmal szenisch umsetzen zu können, was sich nun bei den Bregenzer Festspielen erfüllt: „Ich freue mich sehr.“ Trotz der enormen stimmlichen Herausforderung bezeichnet er die Rolle als „Krönung einer Bassbaritonkarriere. Für mich ist es der größte musikalische Moment meines Lebens. Es gibt kaum eine Rolle, die das übertreffen könnte.“ 

Nach den spezifischen Herausforderungen der Partie befragt, betont er den großen stimmlichen Umfang, der über den eines Bassbaritons hinausreicht, sowie die spezielle Energie, die die Rolle verlangt und nicht zuletzt auch die Länge. „Ich habe fast den ganzen Abend zu singen, alle anderen Partien sind kleiner. Der Stil ist kompliziert, es gibt beispielsweise einen Teil wie Sprechgesang und auch ziemlich viele Vierteltöne, das hört sich manchmal fast unheimlich an.“ Von der Begegnung mit Maestro Hannu Lintu, von der Zusammenarbeit mit dem Dirigenten der Aufführungen in Bregenz, spricht Paul Gay mit Begeisterung. „Er ist wunderbar, ein sehr guter Zuhörer, er versteht, was mit der Stimme passiert, wir tauschen uns darüber aus, wie man etwas unterteilen muss oder wie man sich beim Singen besser fühlt.“ 

Produktionen der Bregenzer Festspiele kannte der Bassbariton bislang nur von Aufzeichnungen, allerdings ist er schon einmal gemeinsam mit der neuen Intendantin und Mezzosopranistin Lilli Paasikivi in Ariadne auf Naxos in Paris aufgetreten.

Auf der großen Bregenzer Seebühne zu singen, kann sich Paul Gay durchaus vorstellen, auch wenn ein Werk wie die Oper Œdipe für diesen Ort nicht geeignet ist. Bei der Titelfigur in dieser 1936 in Paris uraufgeführten Oper, deren literarische Vorlage bei den Ödipus-Dramen von Sophokles zu finden ist, handelt es sich um eine zentrale Figur der abendländischen Kultur, um einen Menschen, der ständig versucht, seinem Schicksal zu entgehen und dennoch von ihm eingeholt wird. „Er verlässt seine Eltern, die – wie wir wissen – nicht seine Eltern sind, aber er geht weg, weil ihm Apollon vorwirft, dass er der künftige Mörder seines Vaters und Gatte seiner Mutter ist. Dann tötet er aber wirklich seinen leiblichen Vater und heiratet seine Mutter. Die Partie ist wie eine Reise durch das Leben, er ist am Beginn vielleicht 18 Jahre alt und am Ende 50 oder 60. Es ist eine intensive, aber eben auch qualvolle Reise. Er ist dazu gezwungen, die Gebote zu brechen, er ist am Ende erlöst, diese antike Tragödie ist aber nicht zu Ende, denn auch seine Tochter Antigone ist vom Fluch betroffen.“ 

Die Arbeit mit Regisseur Andreas Kriegenburg in Bregenz beschreibt Paul Gay als Ringen um die Wahrheit. „Das ist fantastisch. Er ist ein Theatermensch.“ Es gehe nicht um großes Theater oder großes Kino, man arbeite schlicht und direkt am Punkt bzw. auf die Figur konzentriert. Mit der Antwort auf die Frage, was ein guter Regisseur oder eine gute Regisseurin können sollte, erläutert Paul Gay diese ideale Arbeitsweise: „Es ist wichtig, dass man erklärt, in welcher psychologischen Verfassung ich mich befinde, wenn ich in einer Szene zu singen beginne. Dann kann ich es empfinden und vermitteln, mich in den Zustand versetzen und das Spiel daraus entwickeln.“

Rollen, die Paul Gay grundsätzlich besonders interessieren, sind Personen oder auch Machtpersonen, die in ihrem Charakter einen Bruch haben. Das sei bei Œdipe der Fall, aber beispielsweise auch bei König Philipp in Don Carlos von Verdi, bei Boris Godunow in der gleichnamigen Oper von Mussorgsky und etwa auch bei Golaud in Pellás und Mélisande von Debussy. „Man hat starke Momente und plötzlich fällt man in einen Abgrund.“ In der Gestaltung dieser Spannung zwischen den psychologischen Aspekten fühle er sich zu Hause, erklärt er. Er verstehe diese Charaktere und interpretiere sie gerne, das sei spannender als die Gestaltung der Rolle eines simplen Bösewichtes.

Paul Gay hat unter anderem in Köln studiert - bei Kurt Moll. „Er war wie ein zweiter Vater zu mir, generös, er hat mich alles gelehrt, er hat mich sehr geprägt.“ Da ergibt sich die Frage, ob es für Paul Gay bei seinem Berufsentscheid einen Plan B gab? „Sänger zu werden, war der Plan B, ich habe an der Sorbonne Literatur studiert, bin dem Singen durch Zufall begegnet, habe ein paar Lektionen genommen, war dann schnell am Konservatorium und habe innerhalb eines Jahres beschlossen, Sänger zu werden.“

Es war wohl die absolut richtige Entscheidung, denn das, was Paul Gay in seinem Beruf glücklich macht, vermittelt er mit der Bemerkung, dass ihn das Singen bereichert, dass er immer besser werden kann, dass er interessante Menschen kennen lernen darf, die ihn inspirieren, dass er die Welt sehen kann. „Natürlich gibt es auch Nachteile, ich kann nicht immer bei meiner Familie sein, aber wenn ich zu Hause bin, dann bin ich voll für sie da und meine Kinder haben einen Vater, der ihnen viel erzählen und ihnen auch den Horizont öffnen kann.“

(cd)

Info

In diesem fiktiven Interview erfahren Sie mehr über Ödipus und seine Geschichte.

10.06.2025 Paul Gay © Bregenzer Festspiele / Anja Koehler
10.06.2025 Paul Gay © Bregenzer Festspiele / Anja Koehler
11.06.2025 Paul Gay © Bregenzer Festspiele / Anja Koehler
11.06.2025 Paul Gay © Bregenzer Festspiele / Anja Koehler
11.06.2025 Paul Gay © Bregenzer Festspiele / Anja Koehler

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