Die Werkstattbühne als Ort der Begegnung

Fünf Fragen an Regisseurin Carmen C. Kruse

Bregenz, 11.8.23. Erst Anfang Juli ergab sich für Carmen C. Kruse das Engagement in Bregenz, wo sie auf der Werkstattbühne die zeitgenössische Oper Die Judith in Shimoda – eine Uraufführung – inszeniert. Sie sprang kurzfristig für Philipp M. Krenn ein und entwickelte schnell ihr eigenes Konzept zu diesem feministischen Stoff. Ebenso unkompliziert wie sie selbst ist ihr kleiner Hund Freddie, der während des Interviews tiefenentspannt in ihrem Rucksack sitzt. „Das ist ein echter Regiehund, ich nehme ihn oft zu Proben mit“, erzählt Kruse lächelnd. Ein weiterer praktischer Vorteil dieser Rasse namens Bolonka Zwetna: Die Tiere haaren nicht. 

Worum geht es in der Oper?
Die Ausgangssituation ist die Ankunft der US-Amerikaner 1856 mit Kriegsschiffen im verschlossenen Japan zum Abschließen von Handelsverträgen. Nach kulturellen Missverständnissen droht eine gewalttätige Eskalation, und so wird die Geisha Okichi überzeugt, für ihr Volk den US-Konsul zu besänftigen. Eine Tat, die sie aus Menschlichkeit tut, und die lange Schatten über ihr Leben wirft, denn sie wird von ihren Mitmenschen ausgeschlossen. 

Das klingt nach einer Variation des Themas von Madame Butterfly ...
Einerseits schon, andererseits setzt sich Die Judith von Shimoda intensiver mit den Auswirkungen von Patriarchat und Gendergewalt auf die gesamte Gesellschaft auseinander und begegnet dem Thema mit Respekt, Ernsthaftigkeit und Humor und, so viel sei verraten, das Ende ist auch anders. Wir widmen uns der Frage: Wer entscheidet über Wahrnehmung, über Geschichtsschreibung? Dafür haben die Ausstatterin Susanne Brendel und ich einen Seelenraum entwickelt, der die Menschlichkeit der Charaktere in den Mittelpunkt stellt.

Worin unterscheiden sich die Hauptfiguren Madame Butterfly und Okichi?
Okichi ist zu Beginn des Stücks sehr jung, ähnlich wie Madame Butterfly. Wir beobachten Okichis Leben über einen viel längeren Zeitraum, nämlich über 20 Jahre. Sie wird in dieser Zeit zur Aktivistin, zur Künstlerin, und ist eine vielschichtige Frauenfigur, die trotz den Widrigkeiten des Lebens an ihren Werten festhält und immer wieder Stärke findet. Frauenrechtsbewegungen spielen eine große Rolle, inspiriert durch aktuelle Aktivist:innen und Künstler:innen wie Pussy Riot.

Auf welche Art Musik kann sich das Publikum einstellen?
Fabián Panisello, ein argentinischer Komponist mit italienischen Wurzeln, hat einen relativ großen Orchesterapparat vorgesehen, mit sehr viel Schlagwerk und klassischen Instrumenten. Es gibt schöne Liebesduette und Choreinsätze genauso wie Rap. Er hat sich auch mit japanischen Traditionen und Instrumenten auseinandergesetzt. Dazu kommen elektronische Komponenten, in Summe ein ziemlich cooles Klangerlebnis. Der Abend wird das Publikum berühren.

Wie gehen Sie grundsätzlich an Ihre Arbeit heran?
Mir ist es wichtig, das traditionelle Operngeschehen um gelebte Erfahrungen zu erweitern und einen Ort der Begegnung zu schaffen. Ich widme mich oft Themen, die Raum brauchen, dazu gehören Trauer, Suizid oder queere Inhalte. Dennoch ist Die Judith in Shimoda keine ausschließlich schwere Materie. Sie ist gleichzeitig eine Erzählung von Verbundenheit, von Freundschaft, von Liebe. Bei diesem Stück arbeiten wir mit einer sehr menschlichen Personenführung, die den Zuschauer:innen Empathie ermöglicht und sie dadurch einen leichten Zugang finden lässt. Es wird auf jeden Fall ein abwechslungsreicher Abend.

Die Judith von Shimoda, eine Koproduktion mit der Neuen Oper Wien, feiert am 17. August Premiere. Eine Vorstellung folgt am 19. August. Tickets sind verfügbar. Um 19.15 Uhr gibt es an beiden Tagen eine Gratiseinführung. Für sie ist eine Anmeldung nötig, entweder im Webshop der Bregenzer Festspiele oder telefonisch unter +43-5574-4076.

10.07.2023

Carmen C. Kruse

© Isabella Lieselotte Fotografie
10.08.2023

Pressekonferenz „Die Judith von Shimoda“

© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
10.08.2023

„Die Judith von Shimoda“

© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
10.08.2023

„Die Judith von Shimoda“

© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
10.08.2023

„Die Judith von Shimoda“

© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
10.08.2023

„Die Judith von Shimoda“

© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
10.08.2023

„Die Judith von Shimoda“

© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
10.08.2023

„Die Judith von Shimoda“

© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler