It’s so Bond

 

Anlässlich der James Bond-Dreharbeiten und des ZDF-EM-Studios vor zehn Jahren zeigen wir untenstehend Auszüge aus dem 2008 erschienenen Magazin „Bregenzer Festspiele Spezial“. Das vollständige Magazin steht unten zum Download bereit.

Es darf in dieser Form NICHT anderweitig zum Download oder zur Ansicht zur Verfügung gestellt werden, weder teilweise noch vollständig.

Schon Monate vor Start der Bregenzer Festspiele kam die Bühne im Bodensee in die Schlagzeilen. Im April 2008 verwandelte sich die Tosca-Kulisse zum Filmset.

Zum letzten Mal in diesen frühen Morgenstunden versorgten fleißige Helfer das Publikum mit heißem Tee und warmen Wolldecken. Die Anstrengungen einer kalten Frühlingsnacht unter freiem Himmel und ohne Schlaf standen den Operngästen ins Gesicht geschrieben. In der Ferne schlug der Kirchturm des Klosters Mehrerau fünf und ein erster Sonnenstrahl legte sich behutsam auf die Seebühne. Nach zehn Stunden durften die erschöpften Filmkomparsen endlich ihre Sitzplätze auf der Tribüne verlassen und gemeinsam mit den Sängern, Schauspielern und Technikern frühmorgens in den Feierabend gehen. Hinter den rund zweitausend Mitwirkenden lag die längste Opernnacht in der Geschichte des Festivals. Seit Einbruch der Dämmerung am Vorabend standen sie im Dauereinsatz für den „Geheimdienst ihrer Majestät“. Denn für den neuen James-Bond-Streifen Ein Quantum Trost wurde die Tosca-Kulisse im Bodensee zum Filmschauplatz. Nach Dreharbeiten in London, Panama, Chile und am Gardasee machte das Filmteam der englischen Pinewood-Studios Ende April Station in Bregenz. Anstatt zur üblichen Premiere im Juli mussten die Techniker die weltgrößte Seebühne bereits Monate vorher spielfertig hergerichtet haben. Für James Bond stellten sie eine fast komplette Tosca-Vorstellung samt Solisten, Statisten, Chor und Publikum auf die Beine. Zehn Nächte lang wurde im Festspielhaus und auf der Seebühne gedreht.

Bond im Dreischichtbetrieb
Zuletzt koordinierten die Verantwortlichen in Bregenz im Dreischichtbetrieb rund um die Uhr die komplexen Abläufe, vermittelten zwischen Filmund Opernregie. Das Außengelände des Festspielhauses war am Tag überwiegend frei zugänglich und wurde erst nachmittags ab 17:00 Uhr bis in die Morgenstunden abgesperrt. Für die Szenen im Festspielhaus wurden „kosmetische Anpassungen“ vorgenommen. Die Filmtechniker gingen dabei mit großer Akribie, fast schon detailversessen, zu Werke. So baute man im identen Architekturstil eine komplette Toilette nach, um sie anschließend von Filmgangstern verwüsten zu lassen. Foyerwände verkleideten die Filmleute zum Schutz vor Beschädigungen mit Holzfurnieren, die aus London eingeflogen wurden. Selbst spezielle Tosca-Plakate und Abendprogramme im Bond-Design ließen die Filmverantwortlichen drucken – seit Drehschluss heiß begehrte und hochgehandelte Souvenirs. Nicht nur die technischen Abteilungen, auch die Tosca-Künstler standen vor enormen Herausforderungen. Denn im Gegensatz zur sommerlichen Festspielzeit können die Temperaturen während einer Aprilnacht deutlich unter zehn Grad fallen. Wegen der dünnen Bühnenkostüme und der langen Drehzeiten – die Te Deum-Szene wurde pro Drehnacht bis zu 40 Mal wiederholt – schlüpften die Solisten in warme Skiunterwäsche.

Spionage aus London
Begonnen hatten die Spionageaktivitäten im April 2007. In der Presseabteilung der Bregenzer Festspiele klingelte das Telefon. Ein anonymer Anrufer aus London ließ sich ausführlich über das bevorstehende Festspielprogramm informieren, bat um die Zusendung von Bildern der Seebühne und wollte sich in der „kommenden Zeit vielleicht wieder melden“ wegen eines „kleinen Filmdrehs“. Nach zwei Wochen ohne Rückmeldung begann der Inhalt dieses Telefonats gedanklich langsam auf die Ideendeponie zu wandern. Das änderte sich plötzlich, als die selbe Stimme wieder anrief und meinte: „Hello, this is the James Bond company. Can we talk strictly confidential?“ Ja, man habe mittlerweile großes Interesse an einem Filmdreh auf der Seebühne und benötige weitere Bilder, Pläne, Spieltermine, Probenzeiten, Sängerbiografien und vor allem eines: strikte Geheimhaltung! Sollte das Vorhaben im jetzigen Stadium öffentlich werden, so der Bond- Produzent weiter, wäre das gesamte Projekt erheblich gefährdet.

It's so Bond!
„Wir kommen!“, hieß es dann wenige Wochen später. Zwar nicht zum Dreh, aber zu einem ersten Geheimtreffen samt Besichtigung der Location und einer Tosca-Probe kamen Produzenten, Regisseur, Kameramänner und Assistenten inkognito nach Bregenz, um vor Ort ungestört die Möglichkeiten eines Filmdrehs zu prüfen. Das Tosca-Regiekonzept überzeugte im ersten Augenblick. „It‘s so Bond“, meinte später einer der Filmproduzenten in Anspielung auf das riesige Auge und dessen Verwendung in bisherigen 007-Filmen. „Das Auge stellt für mich eine Metapher für die Bondfilme dar“, formulierte auch Regisseur Marc Forster. Doch nicht nur die Bühnenkunst am See, sondern das gesamte Gelände – die Foyers, das Bühnendach, verwinkelte Korridore im Bühnenturm und düstere Unterbühnen – faszinierten die Briten. Es schien, als spielten sich beim Regisseur gedanklich bereits Szenen einer Verfolgungsjagd quer durch das gesamte Haus bis hin zum Tosca-Bild draußen ab. „This is a fantastic place!“, hieß es zum Abschied nach einem gemeinsamen Abendessen. „Wir melden uns wieder.“

100 Millionen
Keinen Trost brauchen die Produzenten wenige Tage nach dem Kinostart des mit 106 Minuten Spielzeit kürzesten Bondfilms aller Zeiten: „Wir sind begeistert, dass unser aktueller Bond den bisherigen Startrekord von Casino Royale gebrochen hat und noch mehr Menschen in die Kinos lockt,“ meinte eine gutgelaunte Barbara Broccoli kurze Zeit nach der Weltpremiere in London. Experten prognostizieren ein Einspielergebnis von 625 Millionen Dollar, noch nie hat die Bondkasse so laut geklingelt. Aber auch dem Festival am Bodensee beschert 007 einen Rekord: Mehr als 100 Millionen Menschen werden die Bregenzer Festspiele erlebt haben, zwar nur sieben Minuten lang auf der Kinoleinwand, dafür aber rund um den Globus.

Chronik eines angekündigten Bonds

April 2007 Ein anonymer Anrufer aus England erkundigt sich in der Festspiel-Pressestelle nach der Möglichkeit von Filmdrehs auf der Seebühne. Mai In einem erneuten Telefonat enttarnt sich der Anrufer als Produzent der James-Bond-Filmfirma EON aus London. Bregenz sei als möglicher Drehort für den 22. Bondfilm im Visier. Juli Produzentin Barbara Broccoli und Regisseur Marc Forster reisen mit großem Tross von Siena kommend nach Bregenz und sehen eine Tosca-Probe auf der Seebühne. August Das Drehbuch für den noch titellosen Bond-Streifen wird umgeschrieben. Ob die Festspiel-Szenen enthalten sind, bleibt offen. September/Oktober Nach zwei weiteren Bregenz-Besuchen des Produktionsteams wird klar, dass im Fall der Realisierung bereits Ende April Tosca aufgeführt werden müsste, also rund drei Monate früher als üblich. November Im Festspielhaus trifft das Drehbuch ein mit mehreren Seiten Handlung rund um Tosca. Dennoch steht das Projekt auf der Kippe: Festspielkünstler stecken zum Drehzeitraum in Engagements, das Festspielhaus ist mit Veranstaltungen ausgebucht. Dezember In filigraner Feinarbeit und langwierigen Verhandlungen ergibt sich ein schmales Zeitfenster von zehn Tagen, an denen der Dreh möglich ist. Drehtermine in Südamerika werden verschoben, erste Vertragsentwürfe kursieren. Januar 2008 Ein Statisten-Casting lockt 5.000 Bewerber nach Bregenz, EON gibt in London den Filmtitel bekannt. Der Dreh ist faktisch besiegelt, jedoch nicht letztgültig vereinbart. Die Filmfirma hält sich alle Optionen offen. Februar Endlich: EON, Festspiele und Festspielhaus bestätigen offiziell die Fixierung der Dreharbeiten. Die Vorbereitungen laufen nun auf Hochtouren, im Festspielhaus arbeiten 50 Personen an den Drehvorbereitungen. Anfang April Techniker holen die Seebühne zehn Wochen vor dem regulären Termin aus dem Winterschlaf und machen sie spielfertig Mitte April 200 Mitarbeiter des Bond-Teams treffen in Bregenz ein, das Festspiel-Areal wird zum Sperrbezirk und nur mit Spezialausweis zugänglich. 29. April Es geht los: Daniel Craig betritt um 13:35 Uhr das Festspielhaus, nur wenige Minuten später fällt in Bregenz die erste Klappe für Ein Quantum Trost im Bühnenturm des Festspielhauses.

(ar)

18.04.2018

James Bond 2008

© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
18.04.2018

Stuntprobe Bond 2008

© Bregenzer Festspiele / Dietmar Mathis
18.04.2018

Garderobe Olga Kurylenko

© Bregenzer Festspiele / Dietmar Mathis
18.04.2018

Schaulustige beim Bond-Dreh

© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
19.04.2018

Bregenzer Festspiele Spezial

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