12 Projektoren schaffen die perfekte Illusion

Hinter den ikonischen Bildern für die Seebühne stehen 1,8 Terabyte "Content"

Bregenz, 29.7.2022. Spielte bei bisherigen Inszenierungen oft die Bewegung eine große Rolle, wie zuletzt jene von Kopf und Händen des Clowns bei Rigoletto, unterstreicht beim diesjährigen Spiel auf dem See das Licht die momentane Gefühlsregung der Protagonisten. Mal taucht das riesige Blatt Papier in blaue Farben, mal in Rot- und Orangetöne. Es wären aber nicht die Bregenzer Festspiele, stünde nicht auch dafür besondere Technik im Einsatz.

Das Licht und vereinzelte bewegte Bilder werden durch Projektionen erzeugt. Um begreifbar zu machen, was sich dazu an 26 Abenden in der Bodenseekulisse abspielt, kommen wir nicht um einige, wenige Zahlen herum. Die Bühne von Madame Butterly ist 1340 Quadratmeter groß, steil und wellig. Jeder fürs Publikum sichtbare Winkel ist im buchstäblichen Sinn Projektionsfläche für insgesamt zwölf Laser-Beamer. Sechs davon arbeiten mit jeweils 50.000 ANSI-Lumen, die anderen sechs mit 35.000 ANSI-Lumen. Ein handelsüblicher Heimkino-Projektor fürs Wohnzimmer oder fürs Vereinsheim, illustriert Projektleiter Adrian Boss zum Vergleich, komme mit etwa 3000 ANSI-Lumen* aus.

Die schwarzen, rechteckigen Geräte sind völlig unscheinbar. Im obersten Stockwerk des Festspielhauses, wo das technische Herz schlägt und überwacht wird, sind jeweils ein großer und ein kleinerer Projektor übereinander montiert und auf die Seebühne in 80, 90 Meter Entfernung ausgerichtet. Vereinfacht gesagt ist die Seebühne in sechs Felder unterteilt und jedes Feld wird von einem der Projektoren-Paare angestrahlt. Die insgesamt zwölf fließenden Projektionen überlappen einander ganz leicht. Es gilt „für die perfekten Übergänge zu sorgen, die die Besucher nicht wahrnehmen sollen“, schildert Adrian Boss die Herausforderung und zeigt mit dem Finger auf eine Skizze, die neben einem Monitor hängt, „da im oberen Bereich der Seebühne gibt es eine Stelle, wo gleich acht Projektoren zusammentreffen.“

Jedes Detail, jede Sequenz ist auf zwei Medienservern gespeichert. Dieser sogenannte Content umfasst 1,8 Terabyte. Ein Terabyte ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Auch der Laie kann sich ausmalen, welche Rechenleistung nötig ist, um die zwölf Projektoren synchron zur Musik und dem menschlichen Geschehen auf der Seebühne zu steuern. Und jeder Besitzer eines Laptops oder auch nur eines Smartphones weiß, dass angestrengte Rechenleistung gleichzusetzen ist mit Temperatur. Adrian Boss: „Jedes Projektoren-Paar wird einzeln klimatisch überwacht und mit einem eigenen Zuluftsystem mit 17 Grad kalter Luft versorgt.“ Der gesamte, quer über das Festspielhaus laufende Raum wird tagsüber gekühlt, damit es bei Vorstellungs- und Arbeitsbeginn der Projektoren angenehme 18 Grad hat. „Zwei Stunden später ist es im gesamten Raum 34 Grad warm.“ Zum Glück dauert eine Aufführung von Madame Butterfly nicht viel länger, denn bei 38 Grad würden sich die Projektoren aus Sicherheitsgründen von selbst abschalten.

Die rein technische Installation der Projektoren dauerte lediglich eine Woche. Aber was, wann, wie und in welcher Intensität projiziert wird, war ein die Proben begleitender Prozess, auch wenn der Content praktisch schon fertig geliefert wurde. An einem digitalen 3D-Zwilling konnte alles schon ausprobiert werden. Doch weil zum Beispiel die Malereien auf der Seebühne von Hand gemacht wurden, wurde die gesamte fertiggestellte Seebühne noch einmal, auch von Drohnen aus gescannt und vermessen. Denn der Medienserver muss schließlich zentimetergenau „wissen“, mit welcher Projektion jede Fläche, jede Welle, jede Kante bespielt werden soll. Während der Vorstellung gibt der Inspizient des Abends die jeweiligen Kommandos an den Systemtechniker am Schaltpult.

Davon bekommen die 7000 Besucher nichts mit. Das spielt sich hinter ihnen, oberhalb der Tribüne ab. Und die Künstler und Mitwirkenden auf der Seebühne? Werden die eigentlich nicht geblendet? „Nur wenn sie direkt in Richtung Projektoren blicken würden“, sagt Adrian Boss. Doch dafür gibt es ja keinen Grund.

*) ANSI-Lumen ist eine international gebräuchliche Bezeichnung im Zusammenhang mit der technischen Spezifikation von Projektoren. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine spezielle lichttechnische Einheit, sondern es sagt aus, dass der Lichtstrom (umgangssprachlich „die Helligkeit“) des Projektors in der Einheit Lumen gemäß einer Messvorschrift ermittelt wurde, die vom American National Standards Institute (ANSI) entwickelt wurde. Dabei sollen vor einem weißen Hintergrund ein fünf Prozent graugetöntes Feld von einem zehn Prozent graugetönten Feld zu unterscheiden sein, also zwei sehr helle Grautöne.

Die Bregenzer Festspiele 2022 finden von 20. Juli bis 21. August statt. Tickets und Infos unter www.bregenzerfestspiele.com oder Telefon 0043 5574 407 6.

(ami)

28.07.2022

Projektionen

© Bregenzer Festspiele / Dietmar Mathis
28.07.2022

Projektoren

© Bregenzer Festspiele / Lisa Mathis
28.07.2022

Adrian Boss

© Bregenzer Festspiele / Dietmar Mathis
29.07.2022

Malerei mit Licht

© Bregenzer Festspiele / bobdo / Harald Schwarzmann